Jubiläums-Schnellturnier

GM Bezold gewinnt, vor IM Schneider und GM Hertneck

Montag, 19. September 2011 | von Michael Reiß

Turniersaal Großer Andrang beim Jubiläumsturnier „175 Jahre Münchener Schachclub 1836“ am Samstag, dem 3. September: Statt der geplanten 70 nahmen nicht weniger als 95 Spielerinnen und Spieler am Turnier im Festsaal der Gaststätte „Rosengarten im Westpark“ teil. Aber nicht nur Quantität, auch Qualität war geboten: Zum Teilnehmerfeld zählten 20 Titelträger/innen, darunter mit Michael Bezold, Hans-Joachim Hecht und Gerald Hertneck drei Großmeister. Nach Grußworten von Hans-Peter Metzen (MSC-Vorsitzender), Stephan Hösl (2. Vorsitzender Schachbezirk München) und Dr. Klaus-Norbert Münch (BSB-Präsident) übermittelte DSB-Turnierdirektor Ralph Alt die Glückwünsche des Deutschen Schachbundes und ließ in einer kleinen Rede die MSC-Vereins­geschichte Revue passieren.
Beim anschließenden Schnellturnier (mit neun Runden á 2x15 Minuten) lag lange der an 1 gesetzte Gerald Hertneck (DWZ 2537) in Führung. Nach sechs Runden und Hertnecks sechstem Sieg in Folge kam bei seinen Verfolgern schon leiser Zweifel auf, ob sich ein „Start-Ziel-Sieg“ unseres ehemaligen Vereinsvorsitzenden überhaupt noch verhindern lassen würde.

Fortsetzung:

Waren wir bei der Vorbereitung des Jubiläumsturniers - angesichts der doch arg geschrumpften Bedeutung unseres Vereins - unsicher, ob wir überhaupt genügend Teilnehmer zusammenbringen würden, sahen wir uns am Turniertag bald eines Besseren belehrt. Trotz schönsten Spätsommer-Wetters (nebst eines mollig warmen Spielsaales) war der Andrang groß. Viele Schachvereine des Schachbezirks München waren mit Spieler/innen vertreten (Unterhachings Vorsitzender Bernard Czap: „Ehrensache!“), manche gar in Kaderstärke. Das zahlenmäßig stärkste „Kontingent“ stellte Tarrasch (17), danach folgten gleichauf Sendling und Bayern München (je 13). Von MSA Zugzwang kam nur eine kleine, dafür aber feine Abordnung mit Neumitglied IM Markus Lammers, Stephan Hösl (2. Vorsitzender Schachbezirk) und vor allem GM Gerald Hertneck, der in den 90er Jahren ja nicht nur Spitzenspieler, sondern sogar Vorsitzender unseres Vereins war. Insgesamt haben wir so aus dem Schachbezirk eine große Solidarität erfahren, die uns rührte, und für die wir uns herzlich bedanken.
Aber nicht nur aus dem Schachbezirk München kamen die Teilnehmer, sondern auch von außerhalb. Stellvertretend für insgesamt 20 „Exterritoriale“ seien hier genannt GM Hans-Joachim Hecht, der deutsche (Einzel-)Meister von 1970 und mehrfache deutsche Mannschaftsmeister mit Solingen und Bayern München, IM Edin Pezerovic nebst Papa Asim und Neumitglied IM Roman Vidonyak vom TV Tegernsee, IM Michael Hammes aus dem fernen Koblenz (kombinierte seine Turnierteilnahme mit einem „Munich-Weekend“ bei Kumpel IM Dirk Hennig), und IM Ilja Schneider, seines Zeichens Bundesligaspieler für die Sfr. Berlin 1903 sowie Autor für die Zeitschrift „Schach“. Zusammen genommen stellte das Teilnehmerfeld eine interessante Mischung von Spieler/innen dar, von denen einige bei den Münchner Schnellschach-Turnieren nur selten (bzw. nie) zu bewundern sind.

Im Mittelpunkt des Turniergeschehens stand zunächst der an 1 gesetzte Gerald Hertneck. Nach sechs Runden und sechs Siegen führte er souverän die Tabelle an; dabei hatte er ab Runde 3 mit FM Bachmayr, IM Pezerovic, IM Vidonyak und zuletzt IM Fedorovsky einen Titelträger nach dem anderen geschlagen. Hertnecks schärfste Verfolger GM Bezold und IM Schneider hingegen hatten bis dahin schon jeweils zwei Partien remis gegeben und hegten schon leise Zweifel, ob unser ehemaliger Vereinsboss an diesem Tag überhaupt noch zu stoppen sei ... Erst in Runde 7 kam diesbezüglich Hoffnung auf, als es IM Alexander Belezky (dem Sieger der Münchner Schnellschach-Kombination 2010/11) gelang, Hertneck einen halben Punkt abzuluchsen. Durch zeitgleiche Siege von Bezold und Schneider kamen diese bis auf einen halben Punkt an Hertneck heran.

Der Führungswechsel erfolgte in Runde 8, beim Duell am Spitzenbrett zwischen Bezold und Hertneck. Bezold gewann überzeugend und eroberte den 2. Platz; Hertneck fiel auf Rang 3 zurück. Die Tabellenführung übernahm Schneider mit einem Sieg gegen Belezky. Hertneck achselzuckend nach der Partie: „Ehrlich gesagt, stand ich die letzten 20 Züge unter Druck. Na gut, gegen Bezold kann man verlieren. Außerdem hatte ich ja schwarz.“
Die Abschlussrunde musste also die Entscheidung über den Turniersieg bringen. In Frage kamen natürlich Schneider (7 Punkte), Bezold (7) und Hertneck (6½); aber auch Vidonyak (4. Platz/6½ Punkte) sowie Fedorovsky (5./6½) konnten sich noch Chancen ausrechnen. Der Computer ermittelte für Brett 1 die Paarung Fedorovsky-Bezold, bei der man sich schon kurz nach Beginn des Mittelspiels auf ein Unentschieden einigte. Bezold mit schwarz hatte remis geboten, trotz einer gewissen Skepsis, ob das zum Turniersieg reichen würde („ne, ich glaub' nicht“). Auch an 2, bei Schneider-Hertneck, steuerten die Kontrahenten - in unübersichtlicher Stellung - den sicheren Remishafen an. An Brett 3 hingegen musste Vidonyak gegen IM Thomas Reich die Segel streichen.

Wie würde der Computer nun über den Turniersieg bzw. die Belegung der Preisränge entscheiden? Er gab folgende Reihenfolge aus: 1. Michael Bezold, 2. Ilja Schneider., 3. Gerald Hertneck, 4. Michael Fedorovsky, 5. Thomas Reich. Mit Rang 5 hatte der „Ritsch“ übrigens wahr gemacht, was er bereits ein paar Tage zuvor - beim Schnellturnier des SC Roter Turm - schmunzelnd angekündigt hatte: „Ich geh' auf die 40 Euro ...“

Die Turniersieger

Unsere Turniersieger, nach anstrengenden neun Runden bei Temperaturen um die 30 °C:
Eingerahmt vom MSC-Vorsitzenden Metzen (ganz links) und Schiedsrichter Alt (ganz rechts)
werden hier (stehend v. li.) Gerald Hertneck (3. Platz), Michael Bezold (1.) und Ilja Schneider (2.),
sowie (sitzend v. li.) Thomas Reich (5.) und Michael Fedorovsky (4.)

Die Sonder- und Ratingpreise wurden vergeben wie folgt:
Der 1. Jugendpreis ging an Gregory Greiner (Garching/Rang 67/4 Punkte), der 2. an Marcel Passon (Fasanerie-Nord/69./3½). Den 1. Damenpreis erspielte sich WIM Milka Ankerst (Bayern Mü./24./5½), der 2. Damenpreis wurde von Schiedsrichter Ralph Alt an WFM Marianne Spiel (Bayern/46./4½) weitergereicht, da die „rechtmäßige“ Gewinnerin Anita Stangl sich keine Chancen ausgerechnet und das Turnier schon vor der Siegerehrung verlassen hatte.
Der Ratingpreis für den bestplatzierten Spieler mit einer DWZ unter 2000 ging an Harald Koch (Kissing/26./5½), der 2. Ratingpreis <2000 an Kostas Tsikerdanos (Tarrasch/27./5½). Die beiden Ratingpreise <1800 erspielten sich Rudolf Lehner (Tarrasch/38./5) sowie Stefan Watzenberger (Sendling/41./4½), diejenigen <1600 Sofie Klenk (Tarrasch/74./3½) und Myron Rabinovych (Schach-Union München/76./3½). Herzlichen Glückwunsch an alle Gewinner!

Natürlich haben nicht nur die Preisträger gutes Schach geboten. „Gut drauf“ war zum Beispiel Altmeister Hajo Hecht (hoffentlich lässt er uns den „Altmeister“ durchgehen), der im Telefongespräch vor dem Turnier noch sagte: „Ja klar, da spiele ich gerne mit. Aber erwarten Sie nicht, dass ich Bäume ausreiße - ich bin doch gar nicht eingespielt ...“ Unter die Top Ten hat er's am Ende allemal geschafft, und das trotz beachtlich spielstarker Konkurrenz - nicht schlecht, Herr Spe ... äh: Hecht! Gefreut haben wir uns auch über das Abschneiden unserer Nr. 1 beim MSC, FM Peter Bachmayr. Nach einer längeren Schachpause musste er beim Jubiläumsturnier sozusagen in's kalte Wasser springen. Er machte seine Sache prima: Rang 11 für ihn in der Endabrechnung, punktemäßig gleichauf mit Hajo Hecht. Da kann man nicht meckern!

Naturgemäß war nicht jeder an diesem Tag mit sich zufrieden. IM Edin Pezerovic (ist auch ein ehemaliger MSC-Bundesligaspieler) zum Beispiel grummelte: „Das kann ich besser.“ Wir meinen, das muss man sich verzeihen, wenn's beim Schnellschach mal nicht läuft. Es gibt halt keine Garantie auf eine gute Tagesform ... Später, beim gemeinsamen Turnier-Abschlussbier, hellte sich Edins Miene sowieso wieder auf. Das Jubiläumsturnier hat ihm jedenfalls gut gefallen. Im Jahr 2036, beim nächsten Jubiläumsturnier, so hat er uns versprochen, ist er wieder dabei :-)!
Zum Abschluss hier noch die Links zu den Turniertabellen sowie einer kleinen Fotogalerie mit den schönsten Schnappschüssen vom Jubiläumsturnier:
Teilnehmer Rangliste Fortschrittstabelle Fotogalerie